Nachbarschaftshilfe
Ein freundlicher Gruß beim Verlassen des Hauses oder die Frage „Wie geht es?“ – und schon fühlt man sich wahrgenommen und damit nicht mehr allein. Auch das Angebot, einen Einkauf oder einen Botengang mitzuerledigen, gibt so manch einem ein gutes Gefühl.
Jeden Dienstag- und Samstagvormittag klingelt es kurz an der Tür von Isolde Schneider aus Münster. Wenn die 82-Jährige die Tür öffnet, steht eine Tasche voller Lebensmittel auf der Fußmatte. Studentin Lena von der „Einkaufshilfe Münster“ winkt aus einiger Entfernung und wechselt ein paar Worte mit der Rentnerin. „Obwohl ich die Lebensmittel bestellt habe und natürlich auch dafür bezahle, ist es jedes Mal ein bisschen wie Weihnachten. Die jungen Leute vom Einkaufsdienst sind so freundlich und versuchen immer alles zu bekommen, was ich auf den Einkaufszettel schreibe“, berichtet Isolde Schneider. Die Witwe leidet an Diabetes und Asthma, ist gesundheitlich angeschlagen. Sie war Ende März eine der Ersten, die die Dienste der „Einkaufshilfe Münster“ in Anspruch genommen hat.
Drei Studenten der Uni Münster hatten die Initiative gegründet, um Covid-19-Risikogruppen zu helfen, die nicht ausreichend von Freunden und Verwandten unterstützt werden können. Schnell haben sich hunderte von Freiwilligen gemeldet, um für Ältere, Behinderte und Vorerkrankte Botengänge zu erledigen. Mit Plakaten und Flyern in Apotheken, Reinigungen und Supermärkten haben sie die Bürger auf das Angebot aufmerksam gemacht. Die Resonanz ließ nicht lange auf sich warten. Die „Kunden“ bestellen per Telefon, was sie brauchen. Die Helfer übernehmen die Besorgungen und achten dabei ganz besonders auf die geltenden Hygieneregeln. In vielen Fällen entstehen sogenannte Patenschaften. „Meistens ist es Lena, die für mich einkauft. Das ist schön, da sie mittlerweile weiß, was ich gerne esse“, erzählt Isolde Schneider.
Hilfe annehmen
Gerade in Großstädten oder anonymen Wohngebieten ist es wichtig zu wissen, wen man ansprechen kann, wenn Hilfe oder Unterstützung notwendig sind. Sicher, nicht jeder ist dazu geboren, auf andere Menschen zuzugehen oder um Hilfe zu bitten. Auch gibt es Menschen, die in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht haben und diese nicht noch einmal erleben möchten. Doch gerade in Krisenzeiten wie der momentan herrschenden Corona-Pandemie haben es zurückhaltende Menschen besonders schwer. Ein wahres Dilemma, sind wir Menschen doch eigentlich so veranlagt, dass uns die Gemeinschaft am Herzen liegt. Man muss sich nur trauen, denn Angebote gibt es mehr als man denkt. Noch dazu sind die Angebote meist sehr unbürokratisch und problemlos zu erhalten, auch wenn man dabei vielfach auf eine übergeordnete Organisation zugreifen muss. Denn neben vielen privaten Initiativen gibt es fast überall Institutionen, die Hilfe offerieren. Niemand muss allein auf sich gestellt sein oder sich gar einsam fühlen.
Nachbarschaftliche Hilfe – lokal und bundesweit
Ob im großen Stil durchorganisiert oder ganz im Kleinen – jede Hilfeleistung ist wertvoll. Auch wenn heute ein Großteil der Menschen vernetzt ist und viele Möglichkeiten der Kommunikation hat, so bleibt doch die Koordination von Unterstützung jeglicher Art ein wichtiges Thema. Die Palette der Angebote und Möglichkeiten ist riesig und so muss gewährleistet werden, dass Hilfe diejenigen erreicht, die darauf angewiesen sind. Als Koordinatoren verstehen sich neben Kommunen, kirchlichen Einrichtungen und Wohltätigkeitsorganisationen beispielsweise auch die Ehrenamtsagenturen: Aktuell organisiert etwa die Ehrenamt Agentur Essen (EAE) unter dem Hashtag #Coronahilfe Nachbarschaftshilfe für Risikogruppen. Wer Unterstützung benötigt, diese leisten kann oder jemanden kennt, der sie braucht, kann sich direkt an die Ehrenamt Agentur wenden. Das geht online, aber auch ganz einfach telefonisch. Gerade in Krisenzeiten kommt die Grundidee der Agentur zum Tragen: „Dort, wo sich viele Menschen engagieren, funktioniert die Gemeinschaft besser und die Lebensqualität steigt. Die Ehrenamt Agentur Essen sorgt dafür, dass Hilfe gezielt dorthin gebracht wird, wo sie gebraucht wird“, fasst Janina Krüger, die Leiterin der EAE, zusammen.
Jede Menge Eigeninitiative geht aktuell auch von Privatpersonen aus. Vor der Sankt-Andreas-Kirche in Neuss beispielsweise steht ein Zaun, an dem seit Beginn der Corona-Krise Lebensmittelspenden in Beuteln aufgehängt werden. Das Prinzip ist schnell erklärt: Wer hat, gibt. Wer braucht, nimmt. In den Einkaufstüten befinden sich Lebensmittel, Hygieneartikel oder Tierfutter. Gedacht sind die Spenden für Menschen, die wenig Geld haben. Schließlich haben viele Tafeln zurzeit geschlossen.
Unterstützung von nebenan
Was Ehrenamtsagenturen und andere, teils auch private Projekte, im Kleinen leisten, findet sich auch im Großen wieder. Die nebenan.de-Stiftung etwa hat es sich zur Aufgabe gemacht, lebendige Nachbarschaften in Deutschland zu fördern: Das fängt bei der Implementierung gezielter Projekte an, geht über deren Begleitung und Unterstützung und findet sich schließlich in der jährlichen Verleihung des „Nachbarschaftspreises“ wieder. Sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene werden herausragende oder innovative Projekte ausgezeichnet. Die Stiftung selbst arbeitet mit erfahrenen lokalen und überregionalen Partnern wie dem Bundesfamilienministerium, der Diakonie oder dem Deutschen Städtetag zusammen, um möglichst große Wirkungen zu erzielen. Zu den ausgezeichneten Projekten im Vorjahr auf Bundesebene gehörte zum Beispiel das Mehrgenerationendorf Bietzerberg im Saarland zwischen Saarlouis und Merzig, wo aus der direkten Nachbarschaft heraus der Alterseinsamkeit entgegengewirkt werden soll. In Nordrhein-Westfalen wurde das Fachgeschäft für Stadtwandel in Essen prämiert, das zum sozial-ökologischen Wandel beitragen soll und als Keimzelle für nachhaltige Ideen gilt. Alle Infos zu der Stiftung, den ausgezeichneten Projekten sowie Anregungen zur Eigeninitiative gibt es auf der Website www.nebenan-stiftung.de.
Historisch gewachsen
So, wie aktuell in unterschiedlichen Bereichen Projekte für ganz konkrete nachbarschaftliche Hilfen entstehen, gibt es auch historisch gewachsene Vereine, in denen sich die Menschen schon immer gegenseitig unterstützt haben und es auch immer noch tun. Ein Beispiel dafür sind die sogenannten Pumpennachbarschaften: Zu Zeiten, als es noch kein fließendes Wasser gab, waren die Menschen darauf angewiesen, im Falle eines Brandes schnell Wasser zur Hand zu haben.
So entstanden zum Beispiel am Niederrhein die Pumpennachbarschaften oder Pumpengemeinschaften. Pro Straßenzug wurden mechanische Wasserpumpen installiert, die außer zur Wasserversorgung eben auch im Notfall angezapft wurden. Ein schöner Nebeneffekt: Die Pumpen waren gleichzeitig auch Treffpunkt, um einen Plausch zu halten oder Neuigkeiten auszutauschen. Auch wenn heute jeder Haushalt inzwischen mit fließendem Wasser versorgt ist, haben sich die Pumpenvereinigungen gehalten und erleben teilweise sogar eine Renaissance. So trifft man sich mehr oder weniger regelmäßig mit der Gemeinschaft, um etwa den Maibaum zu schmücken, bei Feierlichkeiten wie Hochzeiten oder Ehejubiläen den Hauseingang zu „kränzen“ oder zu gemeinsamen Unternehmungen. Doch geht es nicht nur darum, miteinander zu feiern: Auch wer Hilfe nötig hat, kann sich an die Gemeinschaft wenden. Eine schöne Einrichtung, die sich nachbarschaftliche Hilfe ganz konkret und unkompliziert auf ihre Fahnen geschrieben hat.
Beratungstermin vereinbaren
Ja, ich habe Interesse an einem kostenfreien Beratungstermin vor Ort.